Stellungnahme zur ESF+-Förderperiode 2021 – 2027

Junge Menschen in ihren Lebenswelten ansprechen und fördern  

FJB
Bild: FJB

Der Europäische Sozialfonds (ESF) ist ein äußerst relevantes Instrument für die Bewältigung jugendlicher Herausforderungen, insbesondere in den Bereichen der schulischen und beruflichen Bildung. Er fördert die Brandenburger Jugendhilfelandschaft und befähigt Träger, die oftmals nur schwach ausgeprägte

Infrastruktur im Bereich der Jugendsozialarbeit zu stärken und an die Lebenswelten junger Menschen angepasste Angebote zur gesellschaftlichen Teilhabe und Mitwirkung umzusetzen. Der Fachverband Jugendarbeit / Jugendsozialarbeit Brandenburg e. V. (FJB) begrüßt den Versuch einer beteiligungsorientierten Vorbereitung der kommenden ESF+-Förderperiode 2021 bis 2027.

Verknüpfung mit örtlichen Planungen

Der ESF verfolgt in den Schwerpunkten „Bildung“, „Beschäftigung“ und „Soziale Inklusion“ konkrete Zielstellungen, die an den Brandenburger Visionen eines verbesserten Bildungsangebotes anknüpfen. Eine verringerte Zahl von Schulverweiger*innen bzw. Schulabbrecher*innen sowie eine höhere Durchlässigkeit des Bildungssystems lassen sich aber nur durch Unterstützungsangebote realisieren, die an die Lebenswelten junger Menschen und die regionalen Bedingungen angepasst sind.

Die gesetzlich verankerten Sozial- und Jugendhilfeplanungen bieten hierfür die nötigen Bestands- und Bedarfsanalysen, an denen die umzusetzenden ESF-Maßnahmen ansetzen können. Wir empfehlen daher, zu etablierende Angebote in enger Abstimmung mit der örtlichen Jugendhilfeplanung und den bestehenden Maßnahmen der Jugendsozialarbeit zu verknüpfen.

Kontinuität gewährleisten 

Die Förderung zu einer eigenverantwortlichen und selbstbestimmten Persönlichkeit – als Voraussetzung für eine gleichberechtigte Teilhabe am Bildungs- und Arbeitsmarkt – setzt an den Möglichkeiten der jugendlichen Zielgruppe an. Jugendsozialarbeit arbeitet vor allem dann effektiv, wenn Fachkräfte an gewachsenen (Beziehungs-)Strukturen und der Kenntnis der besonderen, individuellen Lebensbedingungen anknüpfen können. Angebote, die auf das Erreichen der ESF-Ziele hinwirken sollen, müssen daher eigenständig als mittel- und langfristige Strategien bzw. im Verbund mit anderen Projekten als Angebotserweiterung verstanden werden, sodass eine kontinuierliche Unterstützung der betroffenen Personen ermöglicht wird.

Wir appellieren dringend, eine Finanzierungslücke zwischen den ESF-Förderperioden zu vermeiden. Die Träger der Jugendhilfe sind nicht in der Lage, das monatelange Aussetzen von Förderzusagen und Mittelabrufen zu überbrücken. Das Einstellen der betroffenen Angebote hat ein abruptes Abbrechen der Kooperations- und Beziehungsstrukturen zur Folge, die nachträglich nur mühsam wieder aufgebaut werden können. Fähiges Fachpersonal wechselt zudem in Bereiche mit langfristigeren Finanzierungsstrukturen und geht so für die anspruchsvolle Tätigkeit in der Jugendsozialarbeit verloren.

Europäische Perspektiven ermöglichen

Über den ESF wird ein zentraler Teil von europäischen Mobilitäten junger Menschen einerseits und interessierter Fachkräfte andererseits ermöglicht und finanziert. Im Kontext zunehmend nationaler Perspektiven, die in etlichen europäischen Ländern und politischen Landschaften festzustellen sind, bleibt die lebendige Begegnung ein adäquates Mittel, den verbindenden und friedenschaffenden Geist von Europa aus der Perspektive des Alltags erfahrbar zu machen.

Die Orientierung an der Lebenswelt ist hier eine wesentliche Voraussetzung für nachhaltiges Wirkung von Begegnung und europäischer Erfahrung. Wir empfehlen daher, die Zugänge zu den Programmen, die Begegnung ermöglichen und fördern, zuverlässig und gleichfalls niedrigschwellig zu gestalten, sodass der Kreis der Nutzer*innen dieser Programm weit gefasst werden kann und sich nicht auf eine Gruppe hochspezialisierter Akteur*innen beschränkt.

Stigmatisierung der Zielgruppe vermeiden

Die Erfahrungen von Fachkräften der Jugendsozialarbeit zeigen, dass eine übermäßig starke Fokussierung auf eine spezifische Zielgruppe zur Stigmatisierung derselben führen kann. So werden bspw. junge Menschen, die phasenweise schulverweigerndes Verhalten aufzeigen, durch einen Verweis in dafür vorgesehene Maßnahmen mitunter in ihrer Rolle als „Schulverweiger*in“ bestätigt. Aus einer krisenhaften Phase im Aufwachsen des jungen Menschen wird möglicherweise ein Stigma, von dem sich die betroffene Person nur schwer lösen kann.

Im Verbund mit Jugendarbeit schaffen es Angebote der Jugendsozialarbeit deutlich leichter, eine breite Zielgruppe anzusprechen, Kontakte auszubauen und zu pflegen und sie in Krisensituationen engmaschiger zu begleiten, ohne eine Stigmatisierung von ohnehin sozial benachteiligten jungen Menschen zu verstärken.

Wir empfehlen, die Formulierung der zu erreichenden Zielgruppe den örtlichen Maßnahme-verantwortlichen zu überlassen. Dabei ist selbstverständlich für eine strategische Verfolgung der ESF+-Förderziele Sorge zu tragen.

Der ESF ist aus der Brandenburger Infrastruktur sozialer Einrichtungen und Dienste nicht mehr wegzudenken. Insbesondere die finanzschwachen ländlichen Strukturen profitieren von den erweiterten Möglichkeiten, die ihnen das Förderinstrument zur Stärkung der gesellschaftlichen Teilhabe junger Menschen bietet. Mit Blick auf das Krisenjahr 2020 wächst die Notwendigkeit eines zuverlässigen europäischen Förderprogrammes, das die Handlungs- und Wirkungsmöglichkeiten der vor Ort tätigen Akteure bestärkt und erweitert.

Anhänge:

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