Jugendarbeit verbindet

Jugendarbeit leistet grundlegende Sozialisationsaufgaben, macht relevante gesellschaftliche Normen bekannt und befähigt junge Menschen zur kritischen Auseinandersetzung mit diesen Normen. Sie ist damit in ihrer Wirkung präventiv, kann gesellschaftliche Diskriminierung reduzieren und zur Deeskalation von Konflikten beitragen.

Unbegrenzte Möglichkeiten?

Nie standen der Menschheit mehr Möglichkeiten der Vergemeinschaftung zur Verfügung: Transportmittel für alle denkbaren regionalen bis interkontinentalen Wege für das reale Beziehungserleben sowie ein breites Angebot an sozialen Netzwerken, Video- und Telefonkonferenzen, Instrumenten für Zusammenarbeit und Datei-Sharing zur digitalen Vernetzung und Beziehungspflege. Es scheint absurd, dass ausgerechnet in Zeiten der schier unbegrenzten Möglichkeiten menschlicher Verbindungsstrategien Großbritannien 2018 ein Ministerium für Einsamkeit ins Leben rufen musste. Es soll die Versuche koordinieren, Menschen aus der Isolation und der Anonymität zu holen.

Demokratie braucht Austausch

Demokratie und Einsamkeit. Die griechischen Väter wären wohl nicht auf die Idee gekommen, diese beiden Begriffe zu kombinieren. Schließlich erfordern demokratische Entschlüsse Information, Austausch, Diskussion, manchmal sogar Streit, also ein Höchstmaß menschlicher Interaktion. Das Zusammenkommen in der „Polis“ stellte immerhin den Kern demokratischer Auseinandersetzung dar. Kleisthenes, Perikles und Co. hätten sich wohl kaum ausmalen können, dass Meinungsbildung irgendwann auch ohne Anwesenheit an der Hauptversammlung möglich werden würde.

Nun sind wir aber doch ein ganzes Stück weiter als die griechischen Kollegen der damaligen Zeit: Wir berauben – wenn auch noch nicht vollends – Frauen und jungen Menschen nicht der politischen Einflussmöglichkeiten. Wir sind in der Lage, weiteste Teile der Gesellschaft am Welt- und Regionalgeschehen teilhaben zu lassen. Diese „Teilhabe“ ist jedoch in vielen Fällen zunächst nur „Information“, die im Top-Down-Prinzip weitergegeben wird. Was also bleibt den Konsument:innen oftmals anderes übrig, als sich in den dutzenden Kommentarspalten ein wenig Gehör zu verschaffen? Dass dies allerdings nicht im Sinne einer verbindenden Demokratie ist, scheint offensichtlich. Vielmehr werden Räume benötigt, die insbesondere den Empfänger:innen der Botschaften Austausch und politische Strategieentwicklung ermöglichen.

Offenheit und Vielfalt

In diesen Räumen – häufig fern von den restriktiven Maßnahmen der Formalbildung – findet nun echte Meinungsbildung statt. Menschen tauschen sich aus, koppeln Information an Emotion und bilden Interessengemeinschaften. Ebendiese Räume leben von Gestaltungsmöglichkeiten und Perspektivenvielfalt, die – wie man zu sagen pflegt – horizonterweiternd wirken. Schlüsselelement dabei kann das Erfahren von bisher unbekannten Denk- und Handlungsmustern sowie Lebenswelten sein. Vor allem die grenzüberschreitende Elemente jugendarbeiterischer Aktivitäten bieten die Chance für eine glokale (global denken, lokal handeln) Persönlichkeitsbildung.

Jugendarbeit verbindet

Gerade hier erweist sich die Jugendarbeit als Gehilfin einer demokratischen Gesellschaft: Sie bringt (junge) Menschen zusammen und konzipiert ihre Angebote für Gruppen. Selbst bei allen Überlegungen einer digitalen Struktur steht das Verbindende, das Gemeinschaftsfördernde im Vordergrund. Und jede:r weiß: Wo Menschen aufeinander treffen, gibt es Reibung. Reibung, die im besten Fall zu einer wohligen Wärme wird. Wo sich jedoch Konflikte anbahnen, regt eine kommunikationsfördernde Jugendarbeit die Reflexion eigener und fremder Überzeugungen an und schafft so die Grundlage für weiteren Gesprächsstoff in der „Polis“.

Jugendarbeit – Das ist genau das Gegenteil von Vereinsamung. Das ist Förderung von gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten (vgl. § 1 Abs. 3 Nr. 1 SGB VIIII) und die Bildung von jungen Verbindungsgestalter:innen, die ihre Verantwortung in der Gesellschaft erkennen und wahrnehmen (vgl. § 11 Abs. 1 SGB VIII).

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